Arthur Schopenhauer / Mystik des Taoismus

23. Juli 2009 at 08:36 (Philosophie, Religion, Spiritualität) (, , , , , , )

Arthur Schopenhauer lernte den Taoismus erst 1842 durch das Tao te king des Laotse etwas näher kennen, und zwar durch eine fragwürdige Übersetzung ins Französische von Stanislaw Julien.  Hieraus übernahm Schopenhauer das Motto zu den „Ergänzungen zum vierten Buch“  in seinem Hauptwerk „Die Welt als Wille und Vorstellung“ II:

Alle Menschen trachten nur danach,
sich vom Tode zu befreien:
sie wissen nicht, sich vom Leben zu befreien.

Kaum weniger bedeutsam als Laotse war der taoistische Weise und Mystiker Dschuang Dsi (etwa 369-286 v. u. Ztr.). Er gilt als einer der Begründer des philosophischen Taoismus. Sein Werk, das von Richard Wilhelm übersetzt und unter dem Titel „Das wahre Buch vom südlichen Blütenland“ veröffentlicht wurde, fand besonders bei Hermann Hesse hohe Wertschätzung: „Von allen Büchern chinesicher Denker, die ich kenne, hat dieses am meisten Reiz und Klang.“

Im Vorwort zu seiner Übersetzung wies Richard Wilhelm darauf hin, dass Dschuang Dsi ein Glied sei „in der großen Kette, die im westlichen Denken unter anderem auch durch den Namen Schopenhauer bezeichnet wird.  Seine eigentliche Bedeutung bestehe aber darin, dass Dschuang Dsi zu dem zentralen Erlebnis führen will, das jenseits des Denkens liegt und von der Wissenschaft nur  unvollkommen erfasst wird… Dieses Erlebnis kann nur andeutungsweise umgrenzt werden; jeder begriffliche Ausdruck zerbricht notwendig bei der Anwendung selbst…Dieses Erlebnis ist reine Innerlichkeit.

Es geht hier, wie Wilhelm hervorhob, um mystisches Erleben: Dieses oben angedeutete Zurücktreten des Leiblichen und Seelischen ist die äußere Form, wenn der Geist entbunden ist zu jenseitigem Schauen. Die ganze Kraft Dschuang Dsi´s beruht auf diesen mystischen Erlebnissen. 

Zu dem, worum es hier geht, führt Dschuang Dsi durch Gleichnisse hin, die das eigentlich Unbeschreibbare uns näher bringen können. Dschuang-Dsi war, so Hermann  Hesse, „ein  Meister des Gleichnisses, das wir bei Laotse selbst durchaus vermissen“.  Ein Beispiel hierzu sei das berühmte Gleichnis vom Schmetterlingstraum:

Einst träumte Dschuang Dschou, dass er ein Schmetterling sei, ein flatternder Schmetterling, der sich wohl und glücklich fühlte und nichts wußte von Dschuang Dschou. Plötzlich wachte er auf: da war er wieder wirklich und wahrhaftig Dschuang Dschou. Nun weiß ich nicht, ob Dschuang Dschou geträumt hat, dass er ein Schmetterling sei, oder ob der Schmetterling geträumt hat, dass er Dschuang Dschou sei, obwohl doch zwischen Dchuang Dschou und dem Schmetterling sicher ein Unterschied ist…

Chang Chung-Yuan gibt in „Tao, Zen und schöpferische Kraft“ zum obigen Gleichnis eine sehr aufschlussreiche Erläuterung: „In dieser Geschichte träumt Dschuang Dschou von einem Schmetterling. Dschuang Dschou ist also Subjekt und  der Schmetterling Objekt. Aber, so sagt er, es ist möglich , dass der Schmetterling von sich als einem Mann träumt, und damit macht er den Schmetterling zum Subjekt und den Mann, Dschuang Dschou selbst, zum Objekt. Ist es überhaupt möglich, hier zwischen Subjekt und Objekt zu unterscheiden? Die Bewußtheit der Einswerdung und Durchdringung von Selbst und Nichtselbst ist der Schlüssel, der das Geheimnis des Tao erschließt“

Es ist nicht nur der Schlüssel zum „Geheimnis des Tao“, sondern – jedenfalls nach meiner Überzeugung – auch zum Kern der Philosophie Schopenhauers.  Die „Einswerdung“, die Überwindung der Subjekt-Objekt-Spaltung, etwa in der Meditation, bedeutet nach Schopenhauer die „Durchschauung des principium individuationis“. Ob Dschuang Dschou oder Schmetterling – beide sind, wie wohl Arthur Schopenhauer sagen würde, Vorstellungen unseres Geistes, denn die Welt ist, wie alle Erscheinungen, die wir in ihr wahrnehmen, unsere Vorstellung. Alle diese Erscheinungen sind aber nur Ausdruck eines unbeschreibbaren EINEN, welches Schopenhauer, da ihm dafür kein anderes Wort zur Verfügung stand, WILLE  nannte.   
hb

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